Kurdistan Report Nr. 210 Juli / August 2020

Das Verbot der libanesischen Hisbollah in Deutschland ist ein außenpolitisch motivierter PR-Coup

Verbot der »Partei Gottes«

Nick Brauns, Historiker und Journalist

Am 30. April 2020 verbot Bundesinnenminister Horst Seehofer die libanesische Hisbollah. Die Betätigung der »Partei Gottes« – so die Übersetzung des arabischen Namens Hisbollah – laufe aufgrund ihrer Hetze gegen Israel dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider, heißt es in dem 30-seitigen Verbotsbescheid, der an Hisbollah-Generalsekretär Hasan Nasrallah mit »unbekanntem Aufenthalt« ging. Da die Hisbollah in Deutschland offiziell gar nicht existierte und keine eingetragenen Vereine unterhalten hat, konnte lediglich ein Betätigungsverbot verhängt werden.

Polizisten mit Maschinenpistolen stürmten und durchsuchten daraufhin schiitische Moscheen und die Vereinsräume libanesischer Kulturvereine in Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Obwohl die fertige Verbotsverfügung schon einige Wochen vorlag, hatte das Ministerium mit der Umsetzung bis zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan gewartet. Dass die damit verbundene islamfeindliche Botschaft an die Öffentlichkeit beabsichtigt war, darf bei einem Minister, der zur Islamkonferenz schon mal Blutwurstschnitten aus Schweineblut servieren ließ, unterstellt werden.

Die Hisbollah entstand als Zusammenschluss verschiedener schiitischer Milizen, die gegen die israelische Invasion im Libanon kämpften. Ihre offizielle Gründung erfolgte 1985. Ideologisch beeinflusst war die Gründung der Organisation durch sozialistisch geprägte islamische Religionsschulen im Irak sowie in entscheidendem Maße durch den Iran, der seitdem auch als wichtigster Finanzier und Waffenlieferant der Hisbollah auftritt. Die Hochburgen der Hisbollah sind das Bergland im Südlibanon, die vor allem von Schiiten bewohnte Beiruter Vorstadt Dahieh und Teile der Bekaa-Ebene. Hier betreibt die Organisation seit Jahrzehnten ein Netzwerk aus Schulen, Krankenhäusern und Sozialdiensten und füllt damit eine Lücke in Bereichen, die der schwache und inzwischen bankrotte libanesische Staat nicht abdecken kann. Ihre Effektivität stellte die Organisation zuletzt während der Corona-Pandemie unter Beweis. Rund 25.000 Freiwillige, darunter fast 5.000 Ärzte und Krankenschwestern, zogen in den »Krieg« gegen das Virus, wie Nasrallah vor laufenden Kameras verkündete. Statt der sonst obligatorischen Pick-ups mit aufmontierten Maschinengewehren paradierten diesmal Ambulanzen. Seit 1992 ist die Hisbollah mit Abgeordneten im libanesischen Parlament vertreten. Seit Jahren ist die Partei zudem mit eigenen oder ihr nahestehenden Ministern an der Regierung beteiligt. Auch die aktuelle, im Januar 2020 gebildete Regierung unter dem Technokraten Hassan Diab als Ministerpräsidenten gilt als Hisbollah-nah. Die Schiiten, die durch die Hisbollah und ihre verbündete Partei Amal repräsentiert werden, gelten aufgrund längst überholter Statistiken offiziell als viertgrößte Religionsgemeinschaft im Libanon. In Wahrheit sind die Schiiten aber mit rund 50 Prozent der Bevölkerung die stärkste der elf im Libanon vertretenen Religionsgemeinschaften.

Hisbollah an der Seite der syrischen Regierungstruppen

Als einziger Partei war es der Hisbollah nach dem Abkommen von Taif, das 1989 den libanesischen Bürgerkrieg beendete, aufgrund innerlibanesischer Absprachen gestattet, weiter Waffen zu besitzen. Schon der Rückzug der israelischen Armee im Jahr 2000 aus einer Pufferzone im Südlibanon, die im Rahmen der Operation »Früchte des Zorns« im Jahr 1996 besetzt worden war, wurde von der Hisbollah als Sieg gefeiert. Ihre militärische Schlagkraft stellte die Organisation, die über mehr Kämpfer verfügt als die libanesische Armee, auch 2006 unter Beweis. Nach Zwischenfällen an der Grenze und der Gefangennahme mehrerer israelischer Soldaten auf libanesischem Territorium, griff Israel Ziele im Libanon an. Dabei wurden insbesondere Ziele in der Hauptstadt Beirut angegriffen und wichtige Teile der Infrastruktur zerstört. Im Süden des Landes rückten israelische Bodentruppen vor. Doch der militärische Widerstand der Hisbollah, die den Invasoren in ihrer Hochburg einen Guerillakrieg lieferte, zwang die israelische Armee schließlich zum Rückzug. Es war der erste arabische Sieg über die israelische Armee. Im syrischen Bürgerkrieg griff die Hisbollah auf Wunsch des Iran an der Seite der syrischen Regierungstruppen ein. Die Regierung von Präsident Assad hat es wesentlich diesen kampferprobten Verbänden zu verdanken, dass sie die dschihadistischen Kampfgruppen der Opposition zurückdrängten und ihre Herrschaft wieder festigen konnte. Weiterhin kämpfen Hisbollah-Milizen in der syrischen Provinz Idlib gegen die dortigen Al-Qaida-nahen Kampfverbände, die von der Türkei unterstützt werden. Ein Großteil der über tausend Luft- und Raketenangriffe, die Israel in den letzten neun Jahren gegen Ziele in Syrien flog, galten iranischen Militärberatern und den Stellungen der Hisbollah. Die Hisbollah ist ein wichtiger Pfeiler der als »Achse des Widerstands« oder »schiitischer Halbmond« bezeichneten Allianz im Mittleren Osten, zu der weiterhin der Iran, die syrische Regierung von Assad und die schiitischen Milizen der Volksmobilisierung im Irak gehören.

Verbot in Deutschland hat nicht überrascht

In Deutschland trat die Hisbollah, die hier anders als etwa radikale türkisch-sunnitische Vereinigungen über keinen eigenen Moscheenverband verfügt, politisch kaum in Erscheinung. Der Verfassungsschutz rechnet ihr hier rund 1000 Mitglieder zu, ein Viertel davon soll in Berlin leben. Die gelben Fahnen der Hisbollah waren lediglich auf dem jährlichen antizionistischen Al-Quds-Marsch in Berlin, dessen Tradition auf einen Aufruf von Ayatollah Khomeini zurückgeht, zu sehen gewesen. Hin und wieder tauchten sie auch auf Demonstrationen gegen die palästinensische Besatzungspolitik oder gegen den israelischen Angriff auf den Libanon im Jahr 2006 auf. Die Berliner Versammlungsbehörde hatte die Fahnen allerdings schon in den letzten Jahren auf dem Al-Quds-Marsch untersagt. Deutschland dient der Hisbollah nach Ansicht von Sicherheitsbehörden als »Rückzugsraum«, um unter der libanesischen Diaspora Gelder für ihre Aktivitäten im Libanon zu sammeln. Wozu eine Partei, die im Libanon in der Regierung vertreten ist und weite Landesteile unter ihrer Kontrolle hat einen »Rückzugsraum« braucht, bleibt dabei das Geheimnis der Sicherheitsbehörden.

Das jetzige Verbot kam nicht überraschend. Vorangegangen war eine jahrelange mediale Dämonisierung der Organisation. Insbesondere in der atlantisch orientierten und liberalen Presse – von Springers BILD und Welt bis zur Wochenzeitung DIE ZEIT und dem Tagesspiegel – war es seit Jahren Usus, die Hisbollah als »Terrormiliz« zu titulieren. Assoziationen der Leser zu den mordenden Kopfabschneiderbanden des sogenannten Islamischen Staates (IS), der gemeinhin mit diesem Attribut versehen wird, sind offensichtlich beabsichtigt. »Die Hisbollah finanziert sich mit Kriminalität, Autoschieberei, Geldwäsche. Deutschland ist für sie ein Rückzugsraum, in dem sie Gelder einwirbt«, behauptet der CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt. Stichhaltige Beweise dafür bleiben bislang ebenso aus wie für die von israelischen Think Tanks aufgestellte und von Teilen der deutschen Presse ungeprüft übernommene Behauptung, wonach vermeintlich »kriminelle Clans« libanesischer Herkunft in Deutschland direkt mit der Organisation verbunden seien. Stattdessen erklärte das Landeskriminalamt Berlin, keine Erkenntnisse über Verbindungen zwischen »kriminellen Clans« und der Hisbollah zu haben. Das hinderte freilich die Medien nicht daran, weiterhin Verleumdungen sowohl gegen einzelne Großfamilien mit Wurzeln im Libanon als auch gegen die libanesische Partei zu verbreiten. »Und so betreiben die Clans weiter ungestört ihre Geschäfte, mit denen sie den Terror gegen Israel finanzieren«, behauptete etwa die als liberal geltende Frankfurter Rundschau im Juni 2019.

Auch der »Terror gegen Israel« ist eine der Mythen, mit denen die Dämonisierung der Organisation betrieben wird, wie der Publizist Knut Mellenthin in der junge Welt herausgearbeitet hat. Denn in Wahrheit lässt die Hisbollah weder in Israel noch in den besetzten palästinensischen Gebieten Anschläge durchführen. Den bewaffneten Kampf gegen Israel hat die Hisbollah nach dem Abzug der israelischen Armee aus einer südlibanesischen Pufferzone im Jahr 2000 weitgehend eingestellt. Einen bewaffneten Kampf führt die Hisbollah lediglich um das Gebiet der Schebaa-Farmen, das von Israel gemeinsam mit den syrischen Golanhöhen annektiert wurde. Anders als die palästinensischen Parteien im Gaza-Streifen, schießt Hisbollah auch keine Raketen auf israelisches Territorium. Dies hinderte Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht, anlässlich des israelischen Angriffs auf den Libanon im Jahr 2006 zu behaupten, die Hisbollah habe davor »Israel über Monate mit Raketen beschossen«. Diese Falschbehauptung hatte die Kanzlerin direkt aus einem Artikel des Publizisten Micha Brumlik aus der »Tageszeitung« übernommen. Offizieller Auslöser des Krieges war vielmehr die Gefangenennahme israelischer Soldaten auf libanesischem (!) Territorium gewesen. Die letzten der Hisbollah zur Last gelegten Anschläge im Nahen Osten richteten sich kurz nach Gründung der Organisation in den Jahren 1982 und 83 gegen US-amerikanische und französische Interventionstruppen in Beirut. Ermittlungen zu Anschlägen außerhalb des Mittleren Ostens, die der Hisbollah angelastet werden, wurden bislang nicht beweiskräftig abgeschlossen. In erster Linie geht es hier um zwei Attentate, die in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires in den Jahren 1992 und 1994 auf die israelische Botschaft und das jüdische Gemeindezentrum verübt wurden, wobei 87 Menschen starben, sowie um einen Anschlag auf einen Reisebus in Bulgarien im Jahr 2012, bei dem sieben israelische Touristen getötet wurden.

Tatsächlich war die Bundesregierung schon mehrfach gegen Hisbollah-nahe Organisationen vorgegangen. So wurde bereits 2008 der Sender Al-Manar-TV aufgrund antiisraelischer Propaganda, die tatsächlich auch eindeutig antisemitische Sendungen beinhaltete, mit einem Betätigungsverbot belegt. 2014 folgte ein Verbot des Vereins »Waisenkinder Libanon e.V, der Spendengelder in Millionenhöhe für die Angehörigen der im Kampf gefallenen Hisbollah-Milizionäre gesammelt hatte.

Doch vor einem offiziellen Betätigungsverbot für die Gesamtorganisation war die Bundesregierung lange zurückgeschreckt. Noch 2018 erklärte sie auf eine parlamentarische Anfrage der FDP, es sei wichtig, dass im Libanon ein Dialog mit allen relevanten politischen Kräften und Parteien möglich bleibt. »Dem würde derzeit eine Listung von Hisbollah [als Terrororganisation] als Ganzes entgegenstehen«. Tatsächlich hat die Bundesregierung im Nahen Osten immer wieder die Rolle eines »diplomatischen Maklers« gespielt, heißt es in der Süddeutschen Zeitung im Mai 2019 – durchaus zum Nutzen Israels. So pflegte die Deutsche Botschaft in Beirut gute Kontakte zur Hisbollah und half als Vermittler in Geiselfällen. Ein BND-Agent trage gar den Spitznamen »Mr. Hisbollah«, da er unter anderem im Falle eines von der Hisbollah gefangenen genommenen israelischen Soldaten als geschickter Vermittler aufgetreten sei, berichtete die Süddeutsche Zeitung. Deutschland machte sich bei dieser Vermittlerrolle zunutze, dass es einerseits ein enger Verbündeter Israel ist und andererseits nicht in offener Feindschaft zum Iran steht. So galt gegenüber der Hisbollah bislang das Argument der »territorialen Neutralität«, heißt es in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Verübe Hisbollah keine Anschläge auf deutschem Boden, werde sie nicht verboten, um sich Gesprächskanäle offen zu halten. Innerhalb der EU setzte die Bundesregierung so gegen eine von einigen Regierungen geforderten Aufnahme der Hisbollah auf der Terrorliste den Kompromiss durch, nur den »militärischen Arm« zu listen. Doch im Jahr 2019 wuchs der Druck insbesondere durch die USA, gegen die Hisbollah als Ganzes vorzugehen. US-Botschafter Richard Grenell forderte im Juli letzten Jahres in einem Beitrag für die Tageszeitung Die Welt ein »vollständiges Verbot« der Hisbollah in Deutschland. »Das würde die Hisbollah nicht nur davon abhalten, in Deutschland um Anhänger und Spendengelder zu werben. Damit würde Deutschland ein starkes Zeichen setzen, dass es Gewalt, Terror und antisemitischen Hass in Europa nicht duldet«, erklärte der Botschafter. Zionistische Lobbyorganisationen – mit dem israelischen Ministerium für strategische Angelegenheiten im Hintergrund – warben bei den Abgeordneten für ein Hisbollah-Verbot und die Aufnahme der Gesamtpartei auf die EU-Terrorliste. Zu nennen ist hier etwa die »Werteinitiative«, die nach Recherchen des SPIEGEL bereits bei der Ächtung der gegen die israelische Besatzungspolitik gerichteten Boykottkampagne BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) als vermeintlich antisemitisch durch den Bundestag eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland, das Mideast Freedom Forum und die Deutsch-Israelische Gesellschaft forderten ein Hisbollah-Verbot.

Als erste sprang ausgerechnet die AfD auf den Zug auf und brachte im Juni 2019 einen Antrag für ein Hisbollah-Verbot in den Bundestag ein. Für die faschistoide Partei war dies eine Gelegenheit, die islamfeindliche Karte zu spielen und gleichzeitig vom antisemitischen Bodensatz in den eigenen Reihen abzulenken. Nachdem sich auch die FDP die Verbotsforderung zu eigen gemacht hatte und einen entsprechenden Antrag formulierte, einigten sich die Liberalen und die Regierungskoalition schließlich auf einen gemeinsamen Antrag, der im Dezember 2019 von einer Bundestagsmehrheit angenommen wurde. Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, Hisbollah »zur Terrororganisation« zu erklären und ihre Betätigung auf deutschem Boden zu verbieten. Darüber hinaus wurde die Bundesregierung mit dieser Entschließung aufgefordert, »gemeinsam mit internationalen Partnern Maßnahmen zu ergreifen, die den Einfluss der Hisbollah in der Region und insbesondere in Syrien zurückdrängen«. Mit dieser Aussage, in der eine militärische Komponente zumindest nicht ausgeschlossen wird, sei wahrscheinlich einem »speziellen Wunsch aus Jerusalem« entsprochen worden, vermutete junge Welt-Autor Knut Mellenthin. Ein Antrag der Grünen war im Kern noch schärfer formuliert. Die Linksfraktion hatte sich mehrheitlich auf Enthaltung geeinigt, obwohl eine Minderheit mit dem Koalitionsantrag sympathisierte und eine andere Minderheit unter Verweis auf die Notwendigkeit, die Hisbollah als wichtige Kraft in Nahostlösungsgespräche einzubeziehen, mit Nein votierte.

Internationale Reaktionen

Die internationalen Reaktionen auf das Betätigungsverbot fielen erwartungsgemäß aus. Der israelische Botschafter in Berlin lobte das Verbot als »wichtigen und bedeutsamen Schritt« im »Kampf gegen internationalen Terror«. US-Außenminister Mike Pompeo zeigte sich erfreut, dass sich nun auch Deutschland den Staaten angeschlossen habe, die nicht länger zwischen dem politischen und »terroristischen« Flügel der Hisbollah unterscheiden. Das Verbot sei zu erwarten gewesen, erklärte der Generalsekretär der Hisbollah, Nasrallah, in einer Fernsehansprache. Nasrallah sprach von einer Unterwerfung der Bundesregierung unter die USA. Die Entscheidung Berlins sei »Teil des amerikanisch-israelischen Krieges gegen die Widerstandsbewegung«. Das iranische Außenministerium verurteilte das Verbot der verbündeten Organisation »auf das Schärfste« und sprach von einer »völligen Respektlosigkeit gegenüber der Regierung und der Bevölkerung des Libanons«, da die Hisbollah »ein formeller und legitimer Teil der Regierung und des Parlaments« sei und eine »Schlüsselrolle« im Kampf gegen die Dschihadisten des Islamischen Staates (IS) spiele. Teheran warf der Bundesregierung vor, dem Druck der USA und Israel nachgegeben zu haben. Das Verbot missachte »die Realitäten in Westasien« und beruhe auf den Zielen »der Propagandamaschine der Zionisten und des verwirrten amerikanischen Regimes«.

Verboten sind von nun an die Symbole der Organisation. Dies betrifft in erster Linie ihr offizielles Logo des grünen Schriftzugs auf gelbem Grund mit dem emporgereckten Sturmgewehr. Nach Angaben der BILD-Zeitung, die sich schon lange für ein Hisbollah-Verbot stark gemacht hatte, könnte auch das von der Hisbollah verwendete Zitat der fünften Sure des Koran »Allahs Schar wird siegreich sein«, nach der sich die Partei benannt hat, in gewissen Kontexten als verbotene Ersatzsymbolik gelten. Ebenfalls als Ersatzsymbolik könnten Slogans, die sich auf den »islamischen Widerstand im Libanon« beziehen, gewertet werden, da die Hisbollah sich selbst als Teil der al-Moqawama (Widerstand) bezeichnet. Auch Porträts von Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah können, wenn sie öffentlich zur Schau gestellt werden, unter das Verbot fallen, meint die BILD-Zeitung und zieht dabei eine direkte Parallele zum Verbot von Bildern des PKK-Vordenkers Abdullah Öcalan. Anders als die zahlreichen Anhänger der kurdischen Befreiungsbewegung unter der millionenstarken kurdischen Diaspora in Deutschland, die regelmäßig mit großen Demonstrationen oder Festivals auf sich aufmerksam machen und mit diesen Mobilisierungen direkt auf Ereignisse im Mittleren Osten reagieren, sind Hisbollah-Sympathisanten in Deutschland allerdings bislang nur in seltenen Fällen auf die Straße gegangen.

Wie sich das Betätigungsverbot in der Praxis auswirken wird, ist von daher noch offen. Empfindlicher als durch das Verbot ihrer Symbole könnte die Organisation durch das nun erleichterte Verbot von Spendensammlungen getroffen werden. Das Verbot sei »zu verstehen als Signal vorauseilender Unterstützung der israelischen Politik in Zeiten, in denen die Annexion weiter Teile Palästinas unmittelbar bevorsteht«, meint der emeritierte Professor für Internationale Politik und Friedensaktivist Werner Ruf in einem Kommentar für die junge Welt. Julien Barnes-Dacey, Direktor des Think Tanks »Nahost- und Nordafrikaprogramm des European Council on Foreign Relations« (ECFR), spricht gegenüber der taz von einer »symbolischen Entscheidung«, da die Hisbollah keine nennenswerte materielle Präsenz in Deutschland habe. Barnes-Dacey sieht das Verbot daher »eher im Kontext eines geopolitschen Vorgehens ... als dass es notwendigerweise von Antisemitismus-Bedenken getrieben war«. Den USA ginge es darum, »im Rahmen ihrer Kampagne für maximalen Druck gegen den Iran, auch Druck auf die Hisbollah auszuüben«.

bsehbar ist, dass die USA, die israelische Regierung und zionistische Lobbyorganisationen als nächsten Schritt eine Listung der gesamten Hisbollah auf der EU-Terrorliste fordern. Während von der Bundesregierung, die ja bereits im September 2019 der Generalbundesanwaltschaft eine Verfolgungsermächtigung gegen die Hisbollah als »ausländische terroristische Vereinigung« nach Paragraph 129b StGB erteilt hat, hier kein Widerstand mehr zu erwarten ist, dürfte Frankreich als ehemalige Kolonialmacht über Libanon den realistischeren Blick bewahren und weiterhin sein Veto einlegen.

Die Bundesregierung hat sich jedenfalls keinen Gefallen mit dem Hisbollah-Verbot getan. Auch wenn ihre geheimdienstlichen Kontakte mit der Organisation nicht allzu sehr leiden dürften, hat sie sich zumindest im öffentlichen außenpolitischen Agieren unnötigerweise die Hände gebunden. Hier wiederholt sich eine Politik, die die Bundesregierung bereits mit ihrer einseitigen Fixierung auf die Türkei betreibt und durch die sie sich etwa um Gestaltungsspielraum in Syrien und gegenüber der Autonomieverwaltung von Rojava aber auch gegenüber den Kurden in der Türkei und nicht zuletzt der kurdischen Diaspora in Deutschland bringt.

Die Hisbollah ist ein, oder sogar der wichtigste, Faktor in der libanesischen Politik. Ohne sie wird es keine Stabilität im Zedernstaat geben. Angesichts andauernder israelischer und US-amerikanischer Drohungen werden ihre bewaffneten Kräfte von Libanesen weit über die schiitische Bevölkerung hinaus als Garanten für die Unabhängigkeit des Landes gesehen.

Doch ihre Zugehörigkeit zur »Achse des Widerstands« und ihre Rolle im Kampf gegen die westliche Regime-Change-Politik in der Region machen aus der Hisbollah, anders als es manche in primitiv-antiimperialistischem schwarz-weiß-Denken verfangene Linke in Deutschland glauben, nicht automatisch zu einer progressiven Kraft in der libanesischen Innenpolitik.

Als im vergangen Herbst überkonfessionelle Massenproteste gegen hohe Lebenshaltungskosten, steigende Medikamentenpreise, fehlende Jobs, Misswirtschaft und Korruption den Libanon erschütterten, beschuldigte Nasrallah »ausländische Kräfte« dahinter zu stecken, um einen neuen Bürgerkrieg zu provozieren. Während die Kommunistische Partei des Libanon, die mit der Hisbollah außenpolitisch ansonsten den antiimperialistischen Schulterschluss geprobt hatte, zum Generalstreik aufrief, forderte der Hisbollah-Führer stattdessen seine Anhänger dazu auf, die Straßen zu verlassen und die Proteste zu beenden. Es kam in der Folge zu gewaltsamen Angriffen von Hisbollah-Anhängern auf die Protestbewegung. Während die Demonstranten nicht nur den Rücktritt der Regierung, sondern das Ende des auf konfessionellen Proporz beruhenden politischen Systems des Libanon forderten, setzte die Hisbollah in dieser entscheidenden Situation auf den Fortbestand des Bündnisses mit den korrupten Eliten, um ihre eigene Machtposition nicht zu gefährden.