„Fehlende Staatsferne“

Naziterror, faschistische Schattenarmeen und die AfD

Von Nick Brauns

Das Massaker an neun migrantischen Besuchern von Shisha-Bars und Cafes in Hanau hat erneut die Gefahr des Rechtsterrorismus auf die Tagesordnung gesetzt. Erst eine Woche davor war es der Polizei gelungen, eine zwölfköpfige faschistische Zelle auszuheben, die nach bisherigen Erkenntnissen geplant hatte, mit Anschlägen auf Moscheen in mehreren deutschen Städten einen Bürgerkrieg zu provozieren. Am 9. Oktober letzten Jahres griff ein Faschist mit selbsthergestellten Waffen eine Synagoge in Halle und einen Dönerimbiss an, zwei Menschen wurden ermordet. Zuvor in Juni war bereits der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke, der aufgrund seines Eintretens für eine humanitäre Flüchtlingspolitik im Fadenkreuz der Faschisten stand, vor seinem Haus regelrecht hingerichtet worden.

Schnell wurde der Mörder von Hanau, der auch sich selbst und seine Mutter getötet hatte, von den Ermittlungsbehörden als geistig verwirrter Einzeltäter präsentiert. Das mag in diesem Fall zutreffen. Zu fragen wäre allerdings, warum der Mann von den Behörden angesichts seines Geisteszustandes die Erlaubnis zum Führen einer Waffe hatte. Der Attentäter griff mit Shisha-Bars ganz gezielt Orte migrantischen Lebens an, die in der letzten Zeit als vermeintliche Treffpunkte „krimineller Clans“ von der herrschenden Politik gezielt stigmatisiert und mit Razzien kriminalisiert wurden. Sein Manifest liest sich zudem in weiten Strecken wie eine Zusammenfassung der rassistischen Wahnideen vom „großen Austausch“, einer „Überfremdung“ und „Islamisierung Deutschlands“, die von Abgeordneten der AfD im Bundestag und den Landesparlamenten verkündet werden. Deutlich wird damit, wie diese Partei, die über einen offen faschistischen Flügel verfügt, faktisch als Stichwortgeber der Rechtsterroristen agiert.

Galt bislang eine offene Kooperation mit der AfD als rote Haltelinie für die anderen Parteien, so wurde diese nur zwei Wochen vor den Anschlägen von Hanau bei der Wahl des Ministerpräsidenten im Thüringer Landtag überschritten. Um zu verhindern, dass der Linksparteikandidat Bodo Ramelow erneut gewählt wurde, ließ sich der Kandidat der nationalliberalen FDP, Thomas Kemmerich, mit den Stimmen nicht nur der CDU sondern auch der AfD zum Ministerpräsidenten wählen. Es folgte ein bundesweiter Aufschrei. Spontan gingen Antifaschisten in vielen Städten auf die Straße. Die offenbar zuvor von diesem Manöver ihrer Thüringer Fraktion informierte Bundesführung der CDU ruderte zurück. Kemmerich kündigte nach nur einem Tag seinen Rücktritt an. In der Presse war anschließend viel von einem Dammbruch die Rede. Doch die Wahl Kemmerichs mit den Stimmen der Faschisten muss vielmehr als Versuchsballon derjenigen Teile von Union und FDP gesehen werden, die schon länger auf die Vorbereitung bürgerliche Koalitionen unter Einschluss der AfD abzielen. Vergessen wir dabei nicht: Die rechte Partei ist Fleisch vom Fleische der sogenannten bürgerlichen Parteien. Führende Politiker wie der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland waren jahrzehntelang CDU-Mitglied. Verbindender Kitt ist der gegen alles Linke gerichtete Antikommunismus. Union, FDP und AfD verstehen sich explizit als Beschützer des Privateigentums. Schon eine Mietpreisbremse, wie sie jetzt unter der SPD-Linken-Grünen-Regierung in Berlin eingeführt wurde, oder eine stärkere Steuerbelastung der Besitzenden wird als Schritt zum Sozialismus verstanden. Die Geschichte hat gezeigt, dass konservative und wirtschaftsliberale Kräfte im Zweifelsfall lieber den Schulterschluss mit der extremen Rechten proben als eine auch nur gemäßigt linke Regierung zuzulassen.

Hilflos erscheint daher der Ruf einiger Liberaler und sogar Linker nach dem Verfassungsschutz oder gar einem AfD-Verbot. Dies wird deutlich durch einen Blick auf den Umgang des Staates mit der Nationaldemokratischen Partei (NPD), die – wenn auch niemals in der Stärke der AfD – jahrzehntelang das Sammelbecken für Alt- und Neonazis gewesen war. Im Jahr 2003 scheiterte ein Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe daran, dass die Richter der faschistischen Partei eine „fehlende Staatsferne“ attestierten. Grund dieser Einschätzung war die Tatsache, dass jeder sechste Führungsfunktionär der Partei sich als V-Mann des Bundesamtes oder eines Landesamtes für Verfassungsschutz entpuppt hatte. Über seine V-Leute hatte der Verfassungsschutz so nicht nur ein NPD-Verbot verhindert, er hatte der 1964 gegründeten Partei auch jahrzehntelang tatkräftig und finanziell unter die Arme gegriffen. Die V-Leute waren keine von außen eingeschleusten Spitzel, sondern überzeugte Faschisten, die häufig mit Wissen ihrer Kameraden mit dem Geheimdienst kooperierten und in ihren Verfassungsschutzführungsoffizieren politisch Gleichgesinnte erkannten. Es wäre naiv, zu glauben, dass dies im Falle der AfD anders ist. Schon der frühere Verfassungsschutzchef Hans Georg Maaßen, der trotz seiner CDU-Mitgliedschaft deutliche Sympathien zur AfD zeigt, hatte deren Spitzenpolitiker beraten.

Während die NPD inzwischen Mitglieder und Einfluss verloren hat und andere Naziparteien wie „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ straffe Kaderorganisationen ohne Massenanhang sind, stellt die in allen Landtagen und dem Bundestag vertretene AfD heute den parlamentarischen Arm einer vielfältigen faschistischen Bewegung da. Zu dieser Bewegung gehören die islamfeindliche Pegida-Strömungen, die aus Nazis und Hooligans in vielen Städten gebildeten selbsternannten Bürgerwehren, die Existenz der Bundesrepublik leugnende Reichsbürger und die völkische Identitäre Bewegung. Die Übergänge dieses vielfach gewaltbereiten Milieus zum Rechtsterrorismus ist fließend, wie Ermittlungen gegen verschiedene in den letzten Jahren zu Haftstrafen verurteilte Aktivisten von faschistischen Zellen wie der Gruppe Freital oder der Oldschool Society zeigen.

Der bislang schwerste faschistische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik ereignete sich am 26. September 1980 auf dem Münchner Oktoberfest, als eine Bombe 11 Festbesucher sowie den Attentäter Gundolf Köhler tötete und 213 Menschen zum Teil schwer verletzte. Bereits zwei Tage nach dem Anschlag legte der bayerische Innenminister Gerold Tandler (CSU) die Linie fest „Köhler war ein Einzeltäter.“ So lautete dann auch das Abschlussergebnis der Sonderkommission, die nach Ansicht von Opferanwälten und kritischen Journalisten zahlreichen Hinweisen auf Mittäter und Hintermänner nicht nachgegangen war, Zeugenaussagen unterschlagen hatte und Beweise verschwinden ließ.  Köhler war Anhänger der „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Diese 400-Mann-starke Faschistentruppe, die in militärischer Ausrüstung für den Bürgerkrieg trainierte, war im Januar 1980 vom FDP-Bundesinnenminister Gerhard Baum verboten worden, nachdem die bayerische CSU-Landesregierung von Ministerpräsident Franz Josef Strauß jahrelang ihre schützende Hand über sie gehalten hatte. Viel spricht dafür, dass die Wehrsportgruppe Teil des Stay-Behind-Netzwerkes der NATO war, das bekannter unter dem Namen seines italienischen Ablegers Gladio ist. In allen europäischen NATO-Staaten existierten solche aus Faschisten gebildeten Schattenarmeen, die im Falle eines sowjetischen Einmarsches den Kampf hinter den feindlichen Linien führen sollten. Doch die Stay-Behind-Kämpfer griffen in einigen Ländern in die Innenpolitik ein, um linke Parteien zu bekämpfen und autoritäre Rechtsregierungen an die Macht zu bringen. In der Türkei bereitete das von General Kenan Evren geleitete „Amt für spezielle Kriegsführung“ mit Anschlägen der Grauen Wölfe, Massakern an Linken wie 1977 auf dem Taksim und Pogromen gegen Aleviten wie in Maras 1978 den Militärputsch vom 12. September 1980 vor. Auch in Italien betrieb Gladio eine „Strategie der Spannung“. Bei einem Anschlag auf den Bahnhof von Bologna, der linksradikalen Attentätern angelastet werden sollte, starben im August 1980 85 Menschen. Auch das Oktoberfestattentat trägt die Handschrift von Gladio. Zum dem Zeitpunkt des Oktoberfestattentats war gerade Bundestagswahlkampf. Der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß trat als Kanzlerkandidat der Unionsparteien unter dem Wahlspruch „Freiheit statt Sozialismus“ an. Als False-Flag-Aktion geplant sollte das Massaker linksradikalen Tätern angelastet werden, um Strauß als „starken Mann“ regelrecht an die Macht zu bomben.

Man muss sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind – mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein“, hatte Franz Josef Strauß selbst in einem Interview mit dem SPIEGEL einmal das Verhältnis zu den offen faschistischen Kräften definiert. „Nicht zimperlich“ hat hier eine doppelte Bedeutung: Zum einen wird faschistischen und mafiösen Gruppen und dem rassistischen Pöbel die Drecksarbeit überlassen, etwa die Terrorisierung von Flüchtlingen und Migranten, während sich die Unionsparteien anschließend die „Sorgen der Bürger“ aufgreifen können und als Staatspartei für Ordnung sorgen können. Doch zum anderen werden faschistische Kräfte, wenn sie ihren Zweck als Hilfstruppen erfüllt haben, auch „nicht zimperlich“ wieder ausgeschaltet.

Deutlich wurde diese Politik Anfang der 90er Jahre, als es zu einer Vielzahl von zum Teil tödlichen Angriffen auf Flüchtlinge und Migranten und regelrechten Pogromen wie in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen kam. Der Mob wurde von der Springer-Presse und Politikern aus den Reihen der Unionsparteien aber auch der SPD mit Parolen wie „das Boot ist voll“ angeheizt. Schließlich beugten sich eine ganz große Koalition aus Union, SPD und FDP dem zuvor selbst mit aufgebauten „Druck der Straße“ und stimmte 1993 im sogenannten Asylkompromiss für die weitgehende Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatten, wurden einige der militantesten Naziorganisationen wie die Freiheitliche Arbeiterpartei (FAP) verboten.

Die 90er Jahre waren eine Zeit der Verunsicherung insbesondere in den neuen Bundesländern, wo viele Menschen in Folge der Privatisierung und Schließung der Betriebe arbeitslos geworden waren. Da linke Ideen durch das Scheitern der DDR erst mal diskreditiert waren, brach sich die Unzufriedenheit nach rechts Luft. Nicht nur die lange als Altherrenpartei vor sich hin dümpelnde NPD erlebte nun einen zweiten Frühling als nationalrevolutionäre Bewegungspartei. Auch zahlreiche parteiunabhängige Nazikameradschaften entstanden – teilweise mit tatkräftiger Hilfe der Geheimdienste. Eine dieser Kameradschaften war der Thüringer Heimatschutz. Diese über 100-köpfige Nazitruppe wurde nicht nur von einem Agenten des Verfassungsschutzes gegründet und geführt, sondern sie war regelrecht durchsetzt mit V-Leuten verschiedener Geheimdienste. Aktiv im Thüringer Heimatschutz waren auch Beate Zschäpe, Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos, die als der Kerntrio des späteren Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gelten. Der NSU ermordete nach bisherigen Erkenntnissen neun kurdisch-, türkisch- und griechischstämmige Migranten und eine Polizistin. Er war für zwei Bombenanschläge auf Migranten sowie mehrere Banküberfälle verantwortlich. Auch nachdem die drei späteren NSU-Mitglieder nach dem Fund von Bomben in ihrer Garage in den Untergrund abgetaucht waren, blieben sie von einem Netzwerk von V-Leuten umgeben. Keiner ihrer Morde wurde dadurch verhindert. In Hessen war ein aufgrund seiner rechten Gesinnung als „Kleiner Adolf“ bekannter Verfassungsschutzbeamter sogar während des NSU-Mordes an Halit Yozgat in einem Kasseler Internetcafe anwesend. Nach der Aufdeckung des NSU waren die Geheimdienste entsprechend schnell dabei ihre Akten zu vernichten. Die hessischen NSU-Akten sind – soweit überhaupt noch vorhanden – auf Jahrzehnte unter Verschluss. Auch nach mehreren parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und dem Prozess gegen Beate Zschäpe bleibt so die Kernfrage ungeklärt: wie viel Staat steckte im NSU?

Offiziell wurden die Stay-Behind-Strukturen nach dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 90er Jahre aufgelöst. Doch anders als etwa in Italien fand in Deutschland niemals eine strafrechtliche oder parlamentarische Aufarbeitung der Gladio-Aktivitäten statt. Unter neuen Namen und in anderer Form hat sich in letzten Jahren wieder so eine Schattenarmee formiert, deren Kern aus aktiven und ehemaligen Elitesoldaten der Bundeswehr zu bestehen scheint. Im November 2018 warnte das konservative Magazin Focus, dass sich in Deutschland ein „konspiratives Netzwerk aus circa 200 ehemaligen und aktiven Bundeswehrsoldaten gebildet“ habe. Öffentliche Kontur nahm dieses weit über den harten Kern dieser 200 Personen hinausreichende Netzwerk durch Ermittlungen gegen verschiedene rechte Terrorzellen an. Über einen nach außen unscheinbaren Verein mit Namen Uniter, der sich offiziell mit der Betreuung und beruflichen Weitervermittlung ehemaliger Elitesoldaten und Polizisten sowie Geheimdienstler als Söldner befasste, wurde Kampftraining auch für Nichtsoldaten angeboten. Gegründet wurde der Verein Uniter, der über rund 2000 Mitglieder verfügt, von André S., einem im 2018 aus dem Truppendienst ausgeschiedenen Soldaten der streng geheim agierenden Bundeswehreliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK). Auch ein Verfassungsschutzagent gehörte der Leitung von Uniter an. Als konspirative Parallel-Struktur zum Verein Uniter scheint das sogenannte Kreuz-Netzwerk zu dienen, das sich geographisch in die Untergruppen Nord-, Süd-, Ost-, und Westkreuz sowie Österreich und Schweiz gliedert und über verschlüsselte Chatgruppen miteinander kommuniziert. Mitglieder dieses Netzwerkes, dem neben Soldaten auch Polizisten und Angehörige der sogenannten Prepperszene angehören, legten für einen „Tag X“ Waffen- und Munitionslager an. Sie richteten sichere Häuser zum Untertauchen ein. Todeslisten mit Namen politischer Gegner, vor allem von Linken aber auch von kritischen Journalisten und Flüchtlingshelfern, wurden geführt. Auch Leichensäcke und Löschkalk zum Auflösen von Leichen hatten die Verschwörer, die Massenhinrichtungen ihrer Gegner planten, bereits angeschafft. In das Kreuznetzwerk eingebunden war auch der Bundeswehroffizier Franco A., der sich als „syrischer Flüchtling“ registrieren ließ und offenbar einen Anschlag unter falscher Flagge geplant hatte.

Bundesregierung und Justiz sind bemüht, rechtsextreme Vorfälle in Bundeswehr und Polizei, aus Polizeibeständen stammende Waffen- und Munitionsfunde bei Nazis, die Existenz von Todeslisten etc. stets als Einzelfälle herunterzuspielen. Nur in wenigen Fällen wurden überhaupt Terrorismusermittlungen eingeleitet. Soweit es bislang überhaupt zu Verurteilungen von Mitgliedern des Kreuznetzwerkes kam, erfolgten nur ausgesprochen milde Strafen wegen unerlaubtem Waffenbesitz. Deutlich wird daran, dass hier nicht etwa einige Rambos außer Kontrolle geraten sind. Vielmehr wurde hier gezielt eine faschistische Schattenarmee aufgebaut wurde, deren Führung von Teilen der Geheimdienstes und Militärs kontrolliert wurde.

Neben dem Kreuznetzwerk mit seiner direkten Anbindung an Teile des Staatsapparates und Netzwerke faschistischer Polizisten, die etwa in Hessen als NSU 2.0 aufgetreten sind, besteht zudem ein militanter Naziuntergrund nach Art des NSU weiter. Zwar wurde das international agierende Nazi-Skinhead-Netzwerk Blood&Honour, das vor allem in der Musikszene aktiv war, in Deutschland bereits im Jahr 2000 verboten. Doch erstaunlicherweise umfasste das Verbot nicht die als bewaffneten Arm von Blood&Honour geltende Gruppe Combat 18 – dieser codierte Name bedeutet so viel wie „Kampfgruppe Adolf Hitler“. Erst nach dem Lübcke-Mord in Kassel, bei Verbindungen des mutmaßlichen Täters zu Combat 18 bestehen, wuchs der Druck auf die Behörden, endlich gegen die militante Nazigruppe vorzugehen. Doch das im Januar 2020 verkündete Verbot von Combat 18 erfolgte nach monatlangen Vorankündigung durch den Bundesinnenminister. So hatten die Nazis vor den Razzien in ihren Wohnungen Zeit gehabt, Gelder, Waffen und Propagandamaterial in Sicherheit bringen. Offensichtlich wollte der Staat Combat 18 lediglich verbieten, nicht aber die Naziuntergrundstrukturen zerschlagen.

Denn weiterhin gilt die politische Devise der Herrschenden: der wahre Feind steht links. Bundesregierung, Verfassungsschutzämter, staatsnahe Akademiker und die Leitmedien verbreiten die sogenannte Hufeisentheorie von der angeblich demokratischen Mitte und den beiden rechten wie linken extremistischen Enden, die sich in Wahrheit ähnlich wären. Es handelt sich hier um eine gezielte Strategie zur Dämonisierung der antifaschistischen und antikapitalistischen Linken bei gleichzeitiger Verharmlosung der faschistischen Rechten. Denn allein die Zahlen sprechen eine deutlich andere Sprache: Rund 200 Menschen – darunter Flüchtlinge und Migranten, Obdachlose und Behinderte, Antifaschisten und Punks aber auch Polizisten und der CDU-Politiker Lübcke – wurden seit der deutschen Vereinigung 1990 durch Nazis und Rassisten ermordet. Dem steht von linker Seite gerade einmal ein Mord der RAF am Treuhandchef Detlev Carsten Rohwedder im Jahr 1991 gegenüber.

Deutlich wird, dass die Faschisten entweder geduldet oder sogar gefördert von Teilen des Staates agieren können. Für die Regierenden dient der faschistische Terror zugleich als Vorwand, um Polizei und Geheimdienste weiter zu stärken und demokratische Grundrechte abzubauen. Bei der Bekämpfung der faschistischen Rechten dürfen wir uns daher auf keinen Fall auf den Staat verlassen. Wir müssen vielmehr den antifaschistischen Selbstschutz unter Beteiligung linker Parteien, migrantischer Selbstorganisation und der Gewerkschaften organisieren.

Yeni Özgür Politika 5. März 2020