Aus: junge
Welt Ausgabe vom
30.10.2014, Seite 7 / Ausland
Verstärkung für Kobani
Kurdische Peschmerga aus dem Irak zum Kampf gegen IS
in der Türkei eingetroffen
Von Nick
Brauns
Nach
tagelangem Warten auf Ankaras Erlaubnis zur Durchreise sind am Mittwoch morgen rund 150
Peschmerga-Soldaten der kurdischen Regionalregierung im Nordirak in der Stadt Sanliurfa im Südosten der Türkei eingetroffen. Sie sollen
die Verteidiger der seit rund 45 Tagen vom »Islamischen Staat« (IS) mit
schweren Waffen angegriffenen Stadt Kobani im Norden
Syriens unterstützen. Ein Teil der Peschmerga landete auf dem Flughafen von Sanliurfa, während der andere Teil mit den Waffen über den
Landweg entlang der türkisch-syrischen Grenze fuhr. Die Peschmerga führen keine
Panzer oder schweren Artilleriegeschütze mit sich, doch sie sollen über
panzerbrechende Waffen verfügen, die die nur leicht bewaffneten
Volksverteidigungseinheiten YPG in Kobani dringend
benötigen. Schon am irakisch-türkischen Grenzübergang Habur
empfingen jubelnde Kurden den Militärkonvoi. Der türkische Geheimdienst MIT
soll nun den Übertritt der Peschmerga nach Kobani
organisieren.
Die
türkische Regierung, die sich für den Einsatz von Einheiten der von ihr
unterstützen Freien Syrischen Armee in Kobani stark macht, hatte den Durchmarsch der Peschmerga
tagelang verzögert. Grund waren Befürchtungen, unter letztere könnten sich
gesuchte Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mischen. Die jetzt in Sanliurfa eingetroffenen Peschmerga unter Führung eines
Bruders des Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, Masud
Barsani, mussten ihre Namen bei der türkischen und der US-Regierung
registrieren lassen. Zudem mussten sie sich verpflichten, ihre Waffen nicht an
die YPG in Kobani weiterzugeben, die von Ankara als
terroristische Organisation betrachtet werden.
Möglich
wurde die Kooperation zwischen YPG und Peschmerga durch ein in der vergangenen
Woche im nordirakischen Dohuk geschlossenes Abkommen.
Bislang hatten die Barsani nahestehenden konservativ-nationalistisch
orientierten Parteien, die in Rojava, dem kurdischen
Siedlungsgebiet im Norden Syriens, kaum über Einfluss unter der Bevölkerung
verfügen, die dort dominierenden Gremien der auf Volksräten beruhenden
Selbstverwaltung boykottiert und der linksgerichteten Partei der Demokratischen
Union (PYD) die Errichtung einer Einparteiendiktatur
vorgeworfen. Die kurdische Regionalregierung im Irak hatte zudem ein Embargo
gegen Rojava verhängt, so dass selbst humanitäre
Güter nur sporadisch über die Grenze gebracht werden konnten. Im Abkommen von Dohuk einigte man sich nun auf ein paritätisch besetztes
Beratungsgremium aller kurdischen Parteien in Syrien. Die im syrischen
Kurdischen Nationalrat (KNR) zusammengeschlossenen Parteien willigten zudem
ein, sich an den Selbstverwaltungsgremien einschließlich der Landesverteidigung
zu beteiligen.
»Die
Peschmerga sollten sich an der Verteidigung des kurdischen Volkes überall
beteiligen. In vielen Teilen Südkurdistans (Nordirak), vor allem in Sengal, kämpfen unsere Einheiten zusammen mit ihnen gegen
den IS«, erklärte der PYD-Oberkommandierende Sipan Hemo. »Ihre Ankunft ist sehr angebracht und gut.« Sie unterstütze auch die Kampfmoral.