Bundesministerium des Inneren

 

Verfassungsschutzbericht 2003, S. 151-152

 

5. „Rote Hilfe e. V.“ (RH)

 

gegründet: 1975

Sitz: Göttingen (Bundesgeschäftsstelle)

Mitglieder: über 4.600 (2002: über 4.300)

Publikation: „DIE ROTE HILFE“,

vierteljährlich

 

Die „Rote Hilfe e. V.“ (RH) setzte - entsprechend ihrer Selbstdarstellung

- auch 2003 ihre politische und materielle Unterstützung für Angehörige

des linken Spektrums fort, wenn sie vermeintlich Opfer politischer

bzw. staatlicher Verfolgung sind.

Einen besonders breiten Raum nahm die Unterstützung von drei Untersuchungshäftlingen

aus Magdeburg 183 ein. So richtete die RH ein

Spendenkonto ein, beteiligte sich an der Organisation von Solidaritätsveranstaltungen

und berichtete dazu im Internet und in ihrer Vereinspublikation.

Auch für zwei mutmaßliche Unterstützer der baskischen

Terrororganisation ETA, die in Deutschland und der Schweiz

inhaftiert waren, organisierte die RH verschiedene Solidaritätsaktionen,

um deren im Januar und November erfolgte Auslieferung an

Spanien zu verhindern.

 

 

Ein weiterer Schwerpunkt der Organisation war die finanzielle und politische

Unterstützung von Globalisierungsgegnern, die bei Großdemonstrationen

wie dem NATO-Gipfel in Prag, dem G 8-Gipfel in Genua,

dem EU-Gipfel in Göteborg oder der NATO-Sicherheitskonferenz

in München festgenommen worden waren. In einer im Internet verbreiteten

Presseerklärung vom 3. April 2003 protestierte die RH gegen

die anschließende Strafverfolgung von Teilnehmern durch deutsche

Behörden und machte deutlich:

„Die Rote Hilfe wird alles in ihrer Macht stehende tun, um die staatlichen

Repressionsangriffe, die im Extremfall zu mehrjährigen Knast

führen können, zurück zu drängen - damit es auch in Zukunft möglich

sein wird ... sich an systemkritischen Protesten zu beteiligen.“

In einem Beitrag unter dem Titel „Der große Bruder ist schon eingezogen“

in ihrer Publikation „DIE ROTE HILFE“ befasste sich die Organisation

zudem mit neu entwickelten technischen Möglichkeiten zur

Überwachung von Personen oder Orten. 184 Angesichts solcher

Überwachungsmöglichkeiten sei zu befürchten, dass unter entsprechenden

politischen Bedingungen „Big Brother“ keine Vision mehr sei,

vor der gewarnt werden müsse, sondern bittere Realität. 185

 

Im Oktober erschien unter dem Titel „Schafft Rote Hilfe!“ ein Buch

über „Geschichte und Aktivitäten der proletarischen Hilfsorganisation

für Gefangene in Deutschland (1918 - 1938)“. Nicht zuletzt durch den

Vertrieb des Buches und die aufwändige Werbung in der vereinseigenen

Publikation dokumentiert die Organisation ihr Bekenntnis zu ihren

kommunistischen Wurzeln. Entsprechend befindet auch der Autor,

dass sich die heutige RH trotz ihres Selbstverständnisses als parteiunabhängige

Schutz- und Solidaritätsorganisation allein schon durch

ihre Namensgebung bewusst in die Tradition der Roten Hilfe

Deutschlands der 20er und 30er Jahre - damals eine Nebenorganisation

der KPD - stelle. 186

 

Die über 4.600 Mitglieder der Organisation wirken in etwa 40 Ortsgruppen

und vier Regionen in fast allen Bundesländern. Durch die

steigende Mitgliederzahl und eine restriktive Haushaltsführung hat

sich die finanzielle Situation der Organisation weiter stabilisiert.

 

183 vgl. Endnote 139

184 „DIE ROTE HILFE“, Heft 3.2003 u. a. elektronische Barcodes,

sog. Stille SMS, IMSI-Catcher zur Ortung von Handys, DNSDatenbanken

und Überwachung anhand biometrischer Merkmale.

185 „DIE ROTE HILFE“, Heft 3.2003, S. 13.

186 Nikolaus Brauns: „Schafft Rote Hilfe!“, Pahl-Rugenstein-Verlag

Nachfolger GmbH, Bonn 2003, S. 9.