Junge Welt 29.06.2004

 

Straßenkämpfe in Istanbul  

Trotz Versammlungsverbots Massenproteste. NATO-Gipfel beschließt Ausweitung der Afghanistan-Besatzung  

 

Die NATO beschwor auf ihrem zweitägigen Gipfeltreffen in Istanbul die »enge Partnerschaft« zwischen den USA und Europa. Die »Bedrohungen« für das transatlantische Militärbündnis hätten sich verändert, heißt es in der am Montag verabschiedeten »Istanbuler Erklärung«: »Dazu gehören Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.« Was der imperialistische Pakt darunter versteht, machte er auch in Beschlüssen deutlich: So soll von NATO-Ländern zukünftig Hilfe bei der »Ausbildung irakischer Streitkräfte« gewährt werden. Zudem werden die Besatzungstruppen in Afghanistan von derzeit 6 500 auf 10 000 Soldaten erhöht. Bis zu fünf weitere »Wiederaufbauteams« nach dem Vorbild der Bundeswehr in Kundus sollen in den Provinzen Nord- und Westafghanistans errichtet werden. Die Bundeswehr erweitert ihre Einsatzorte um Faisabad.

Während die Staats- und Regierungschefs ihre Pläne verabschiedeten, kam es auch am Montag in der türkischen Metropole zu massiven Demonstrationen und zu Straßenkämpfen. Rund 2000 Demonstranten versuchten, die Absperrungen in der Innenstadt von Istanbul zu durchbrechen und zum Ort des Gipfeltreffens vorzudringen. Doch sowohl Innenstadt als auch Kongreßgelände waren von Tausenden Polizisten besetzt. Panzerwagen standen bereit, ein halbes Dutzend Kriegsschiffe der türkischen Armee ankerte im Bosporus. AWACS-Maschinen der NATO, Kampfhubschrauber und Düsenjäger kreisten über der Region.

Als sich später wieder mehrere hundert Anhänger linker Organisationen zu einer Kundgebung formierten, wurden sie von einem martialisch ausgerüsteten Polizeiaufgebot zuerst eingekesselt und dann unter massivem Einsatz von Tränengas vertrieben. Es gab Festnahmen und Verletzte. Mittags hatte die Türkische Kommunistischen Partei zu einer »Pressekonferenz« vor ihrer Zentrale im europäischen Stadtteil Taksim aufgerufen. Tausende Anhänger der Partei schwenkten rote Fahnen und skandierten Parolen gegen den Imperialismus und die AKP-Regierung.

Unterdessen hat sich die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei) für die Explosion einer Bombe in Istanbul »entschuldigt«. Die Explosion in einem Bus, bei der am Donnerstag vier Menschen ums Leben kamen, sei die Folge eines »Unfalls«. Die Organisation entschuldige sich beim Volk, heißt es in einer Erklärung.

 

 Ausland Nick Brauns/Halis Yildirim