21.03.2006 / Ausland / Seite 7

Kurden feiern Newroz-Fest in der Türkei

Hunderttausende gegen Krieg und Konterguerilla auf den Straßen

Von Nick Brauns, Yüksekova
Schluß mit dem Krieg, Aufklärung der Konterguerilla-Aktivitäten, Freiheit für Abdullah Öcalan und Kurdisch als zweite Amtssprache in der Türkei – das sind die Forderungen von Millionen Kurden, die seit dem Wochenende ihr Neujahrsfest Newroz in der Türkei feiern. Panzerwagen mit Bewaffneten patrouillierten drohend durch die Straßen der Stadt Yüksekova nahe der iranischen Grenze. Die Wunden des Krieges sind hier noch offen. Einschußlöcher an Häusern entlang der Hauptstraße erinnern daran, daß hier im vergangenen November mehrere Demonstranten starben, als Panzerwagen das Feuer auf die Menge eröffneten. Trotz solcher Einschüchterung strömten auch in Yüksekova Zehntausende auf den Festplatz. Um das Newroz-Feuer aus brennenden Reifen tanzten Vermummte und schwenkten die Fahnen der PKK. »Wir sind alle Anhänger von Öcalan«, skandierte die Menge. Die diesjährigen Newroz-Feste standen unter der Losung »Die Türkei von Semdinli aus zu erleuchten«. In der entlegenen Kleinstadt nahe der iranischen Grenze hatte die Bevölkerung im November Agenten des Militärgeheimdienstes nach einem Anschlag auf die Buchhandlung »Hoffnung« auf frischer Tat gestellt. Der ebenfalls angereiste Oberbürgermeister der Metropole Diyarbakir, Ortman Beybemir, erklärte: »Manchmal liest man ein Buch, das das ganze Leben verändert. Vielleicht verändert diesmal ein Buchhändler das Schicksal der Türkei.«

Hier in Semdinli sollten am Samstag die Newroz-Feierlichkeiten beginnen, die Polizei hatte allerdings das Fest verboten. Schwerbewaffnete Soldaten verhinderten die Anreise von Demonstranten aus benachbarten Orten. Eine Vielzahl kurdischer Bürgermeister und der Vorstand der Partei für eine Demokratische Gesellschaft, DPP, fanden sich dennoch in Semdinli ein. Statt des Festes wurde die Wiedereröffnung der bombardierten Buchhandlung gefeiert.

Jeweils mehrere zehntausend Menschen nahmen trotz massiver Militärpräsenz und eisigen Schneeregens in vielen kurdischen Städten an den Newroz-Festen teil. In Cizre an der irakischen Grenze war das Fest verboten worden. In der Großstadt Bapman hinderten Soldaten zahlreiche Bewohner umliegender Dörfer an der Teilnahme. In Orfa griff die Polizei eine Spontandemonstration an, es gab Dutzende Festnahmen und Verletzte. Den Abschluß des diesjährigen Newroz-Marathons werden am Dienstag Feste in der Metropole Diyarbakir und anderen Großstädten bilden, zu denen noch einmal Millionen Feiernde erwartet werden.