Gedenken an Elisabeth Kohn an der Universität München

 

„Die Erinnerung verpflichtet uns, den Anfängen zu wehren.“ Unter diesem Motto wurde Anfang Juli 2003 an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität eine Gedenktafel für Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Kohn und andere unter dem Nationalsozialismus vertriebene und ermordete jüdischen Juristen eingeweiht.

 

Der durch sein Engagement gegen Antisemitismus und Militarismus bekannte Aktionskünstler Wolfram Kastner hatte die Einrichtung eines derartiges Mahnmals vor zwei Jahren angeregt, dass nun durch die Unterstützung von Professor Dr. Hermann Nehlsen realisiert werden konnte. Mit diesem Denkzeichen soll die Erinnerung an 205 jüdische Anwältinnen und Anwälte wachgehalten werden, die in München lebten, studierten und sich beruflich für die Rechte anderer engagierten, aber selbst als Opfer des NS-Systems entrechtet, beraubt, gequält, vertrieben oder ermordet wurden.

 

Die am 11. Februar 1902 in München geborene Elisabeth Kohn gehörte zu den ersten Frauen, die an der Universität München Rechtswissenschaften studierte. Sie promovierte am 24. Juli 1924 zum Dr. jur. und trat 1928 in die Kanzlei von Dr. Max Hirschberg und Philipp Löwenfeld ein. Diese Anwälte vertraten vor allem jüdische Bürger sowie die südbayerische SPD, wurden aber auch von der Roten Hilfe Deutschlands bei politischen Prozessen herangezogen. Elisabeth Kohn, die wie ihre Anwaltskollegen der SPD angehörte, war Mitbegründern dieser Ende 1924 auf Initiative der KPD geschaffenen Hilfsorganisation für politisch verfolgte und inhaftierte Aktivisten der Arbeiterbewegung und ihrer Familien.

 

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme bekam Elisabeth Kohn als Jüdin und Sozialistin Berufsverbot. „Sie ist jung und ledig und kann in irgend einen Frauenberuf unterkommen“, hieß es zynisch in der Ablehnung ihres „Gesuchs um Aufhebung des Vertretungsverbots“. Nun arbeitete Elisabeth Kohn in der Fürsorgeabteilung des Wohlfahrtsamtes der Israelitischen Kultusgemeinde. Ihrer Mutter zuliebe verzichteten Elisabeth und ihre Schwester Marie Luise Kohn auf die Emigration. Doch bei der Zionistischen Ortsgruppe hielt sie im Winter 1935/36 einen Kurs „Emigration und Alija“ ab, um Juden auf eine Emigration nach Palästina vorzubereiten. Ab November 1940 arbeitete Kohn als Hilfskonsulin bei Dr. Julius Baer und beriet jüdische Flüchtlinge und Auswanderer.

 

1939 war die Familie Kohn von den Nazis gezwungen worden, ihre Wohnung, in der sie seit 25 Jahren lebten, zu verlassen. Viermal mussten sie innerhalb der nächsten zwei Jahre umziehen. Dabei wurde die Familie auseinandergerissen und beraubt. Am 20. November 1941 wurde Elisabeth Kohn zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Riga verschleppt und fünf Tage später zusammen mit 1000 weiteren Münchner Juden ermordet.

 

Das am Eingang des Lesesaals der juristischen Bibliothek angebrachte Denkzeichen besteht aus einem großformatigen Porträt Elisabeth Kohns und einer Texttafel in einem an der Wand aufgehängten beleuchteten Schaukasten. Gewürdigt wird ihr Engagement für die SPD, den ADGB und die pazifistische Deutsche Liga für Menschenrechte. Dass die junge Anwältin Mitbegründerin der Roten Hilfe Deutschlands war, bleibt dagegen unerwähnt.

 

Während unter anderem Rechtsanwälte, Anwaltsvereinigungen und der Verlag C.H. Beck mit Spenden zur Realisierung des Denkzeichens beitrugen, hieß es aus dem Justizministerium: „Eine Ausgabeermächtigung in einem Haushaltstitel ist nicht vorhanden.“ Gelder zur Pflege der Gräber hingerichteter NS-Kriegsverbrecher auf dem Friedhof der JVA Landsberg hatte das Ministerium dagegen bis zu diesem Jahr reichlich vergeben.

 

Nikolaus Brauns

 

Informationen Studienkreis Deutscher Widerstand 58 2003