Partisan der deutschen Revolution

Im Karin Kramer Verlag ist eine Anthologie über Max Hoelz erschienen

 

Von Nick Brauns

 

Dass auch heute noch der Name „Max Hoelz“ von einer legendären Aura umgeben ist, davon zeugt die Geschichte dieses Buches. Schon seit über einem Jahr lag das Manuskript von „Max Hoelz – Sein Leben und sein Kampf“ druckfertig beim anarchistischen Karin Kramer Verlag in Berlin. Doch es fehlte an Geld und das Erscheinen des Buches war ungewiss. Da rief Mitherausgeber Bernd Kramer im „Neuen Deutschland“ alle, „denen Max Hoelz am Herzen liegt“, zu Spenden für das Buch auf. Und so, wie Anfang der 20er Jahre eine mit „Hoelz“ unterschriebene Zahlungsaufforderung genügte, um so manchen Bourgeois um sein Geld zu Gunsten der Arbeiterschaft zu erleichtern, hatte der Name Hoelz nichts von seiner Wirkung verloren. Nur, dass diejenigen, die spendeten, es nun freiwillig taten, um einer proletarischen Legende ein Denkmal zu setzten.

Eine legendäre Gestallt war Max Hoelz in den 20er Jahren gewiss. Davon zeuge schon die vielen Beinahmen, die ihm verliehen wurden. Seine Feinde nannten ihn einen Räuberhauptmann, einen Bandenführer, den Diktator des Vogtlandes oder schlicht den Züdelmax. Für seine Genossen war er ein „Partisan der deutschen Revolution“ (Fritz Heckert), ein „deutscher Tschapajew“ (Wilhelm Pieck), ein „deutscher Robin Hood“ (W.Angress) oder schlicht „eine legendäre Gestalt so mancher Klassenkämpfe nach der Noveberrevolution“. Letztere Aussage stammt von Erich Honecker, auf dessen persönlichen Wunsch noch am 14.Oktober 1989 in Falkenstein zu Hoelz 100. Geburtstag ein Denkmal eingeweiht wurde. In einem Brief an Bernd Kramer aus der Haftanstalt Moabit begründete der Staatsratsvorsitzende A.D. Ende 1992 sein Engagement für den oftmals als Anarchisten verfemten Hoelz. „Als Generalsekretär der SED und Vorsitzender des Staatsrates der DDR ließ ich mich dabei von jenen in der SED nicht abhalten, die kein richtiges Verständnis von Max Hoelz hatten. Max Hoelz war für uns Jungkommunisten das große Vorbild eines revolutionäres Führers, den wir sehr verehrten.“ Dann enthüllt Honecker, wie er das Sylvesterfest 1930/31 gemeinsam mit Hoelz im Moskauer Hotel Lux gefeiert hat. Das Hoelz-Denkmal in Falkenstein hatte keine vier Monate Bestand. Am 2.Februar 1990 wird es auf Weisung des örtlichen CDU-Bürgermeisters demontiert. „Gewalttat galt für ihn als legitimes Mittel. Es gibt noch so manchen Einwohner, der die Schreckenherrschaft damals miterlebt hat. Das Falkensteiner Rathaus entkam nur durch einen glücklichen Umstand der schon vorbereiteten Sprengung“, bejubelte der evangelische Kirchenvorstand von Falkenstein den Denkmalsturm der Christdemokraten.

Während Bernd Kramer die Geschichte des Hoelzdenkmals rekonstruiert, widmet sich der vogtländische Historiker Peter Giersich dem historischen Hoelz. Bereits in den 80er Jahren hatte Giersich für die SED-Geschichtskommission zur Erforschung der örtlichen Arbeiterbewegung Forschungen zu Hoelz vorgenommen. Er beschreibt, wie der Landarbeitersohn Hoelz über die Bekanntschaft mit dem Spartakisten Georg Schumann im ersten Weltkrieg zur revolutionären Arbeiterbewegung stieß und sich der USPD, später der KPD anschloss. Als Vorsitzender des Falkensteiner Arbeitslosenrates organisierte Hoelz 1919 „Expropriationen“ bei reichen Bürgern, um das Geld an die hungernden Arbeiter zu verteilen. Steckbrieflich gesucht zog Hoelz als Agitator durch Deutschland. 1920 leitete er in Falkenstein und Umgebung den Widerstand gegen den Kapp-Putsch. Er gehörte nun zu den Sympathisanten der halbanarchistischen Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands. Während des Mitteldeutschen Aufstandes der Mansfelder Arbeiter gegen den Einmarsch der Schutzpolizei in das Industrierevier im März 1921 wurde Hoelz zum wichtigsten Führern des Aufstandes, der eine eine Kampftruppe aus mehreren Hundert Arbeitern organisierte. Zur Einschüchterung der Bourgeoisie ließ Hoelz einige Villen räumen und jagte sie in die Luft. Von der KPD wurde diese Propaganda der Tat als Anarchismus verurteilt. Durch diese Aktionen hatte sich der „Zündelmax“ bald einen solchen Bekanntheitsgrand geschaffen, dass häufig die bloße Nennung seines Namens genügte, um gewaltfreie Requirierungen vorzunehmen. Der Mitteldeutsche Aufstand scheiterte an seiner Isolation in Deutschland. Im April 1921 wurde Hoelz verhaftet und im Juni zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihm wurde die Ermordung eines Gutsbesitzers bei einem Überfall auf eine Bauernhof vorgeworfen. Hoelz bestritt diese Tat. Später wird sich der wirkliche Täter freiwillig stellen. In seiner „Anklagerede gegen die bürgerliche Gesellschaft“ verteidigte Hoelz seine revolutionäre Überzeugung und den Kampf des Mitteldeutschen Proletariats gegen alle Verleumdungen. „Die mutigste Rede vor einem deutschen Gericht“ kommentierte Kurt Tucholsky. Die in großer Auflage verbreitete Broschüre „Gerechtigkeit für Max Hoelz“ des anarchistischen Dichters Erich Mühsam, der für die Rote Hilfe tätig ist, trug wesentlich zur Entfachung einer breiten Bewegung für die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Freilassung Hoelz bei. Neben der Roten Hilfe und ihren Rechtsanwälten Felix Halle und Alfred Apfel setzten sich auch bürgerlich intellektuelle Kreise um die Zeitschriften „Das Tagebuch“ und „Die Weltbühne“ für den durch offensichtliche Klassenjustiz wegen eines nicht begangenen Mordes verurteilten Hoelz ein. Um die Verbindung zu ihm im Gefängnis aufrechtzuerhalten, veranlasste die KPD Hoelz, eine Scheinehe mit einer Kommunistin einzugehen, die von nun a als „Frau Hoelz“ auf den Versammlungen der Roten Hilfe sprach. Im Rahmen einer Amnestie kam Hoelz am 18.Juli 1928 frei. Im Gefängnis hatte er erstmals die Gelegenheit marxistische Theorie zu studieren und versprach, sich nun den Beschlüssen der KPD zu fügen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Hoelz in Russland, wo er sich dem sozialistischen Aufbau widmete. Im September 1933 „ertrank“ der durchtrainierte, gute Schwimmer Hoelz bei einer Bootsfahrt auf dem Oka-Fluß in der Nähe der Stadt Gorki. Zeugen seiner Beisetzung berichteten, Hoelz habe Kopfverletzungen wie von einem Schlag mit einem harten Gegenstand gehabt. Sie wissen zu berichten, dass die Geheimpolizei GPU sich für Hoelz interessierte. Tatsächlich gibt es viele Hinweise, dass der unbequeme Hoelz eines der vielen Opfer der stalinschen Säuberungen geworden war.

Ich halte es allerdings für problematisch, dass Giersich und Kramer das Kapitel „Der Mord an Max Hoelz“ völlig unkommentiert aus dem Buch „Der verratene Sozialismus“ von Karl I. Albrecht übernommen haben. Der deutsche „Kommunist“ Albrecht hatte zehn Jahre als hoher Staatsbeamter in der UdSSR gearbeitet, bis er 1933 vom Stalinismus enttäuscht nach Deutschland zurückkehrte und in der faschistischen Diktatur den „wahren Sozialismus“ zu sehe glaubte. Sein Buch über die Zeit in der Sowjetunion, in der er – allerdings glaubwürdig – die mutmaßliche Ermordung Hoelz schildert, erschien 1938 im faschistischen Nibelungen-Verlag der Anti-Komintern.

Nicht nur in diesem Kapitel, auch bei den anderen Erinnerungstexten an Hoelz wären mehr Angaben zu den Verfassern wünschenswert gewesen. So ist das Buch von Kramer und Giersich vor alle eine oftmals persönlich gehaltene Anthologie zu Max Hoelz, die von Erinnerungen seiner Mitkämpfer und Ehefrauen über Auszüge von Historikern und Originaltexten von Hoelz (darunter seine Verteidigungsrede vor Gericht) bis zu Gedichten von Becher, Mühsam, Weinert und anderen reicht. Eine Auswahl unbekannter Bilder und Originaldokumente wurde ebenfalls beigefügt. Alles in allem eine schöne Würdigung an „unseren Max“, wie er von seiner Partisanentruppe schlicht genannt wurde.

 

Peter Giersich / Bernd Kramer: Max Hoelz – Sein Leben und sein Kampf

Karin Kramer Verlag Berlin 2000; 195 S.; 60 Abbildungen; DM 36.-